Ariana Furtado

© Vitorino Coragem

Ariana Furtado
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„Das Fährterminal Cais do Sodré ist eine Art Grenze zwischen der Stadt und den Anderen, den „Anderen“ aus den Peripherien.“

Interview: MARTA LANÇA

Welche Orte würden sie als Gedenkorte des Kolonialen im Großraum Lissabon wählen?

 

Da wäre zuallererst Alta de Lisboa, das zum Großteil aus dem früheren Stadtviertel Galinheiras hervorgegangen ist, wo sich in den 1980er-Jahren viele neu hinzugekommene Personen aus Afrika niederließen. Dort war ich auch als Lehrerin für viele Schülerinnen und Schüler mit afrikanischer Herkunft tätig. Ich würde sagen, ein Großteil der afrikanisch geprägten Lissabonner Kultur hat dort im Bairro das Galinheiras ihren Ausgangsort. 

Zweitens, das Viertel Belém mit all seinen kolonial geprägten Denkmälern. 

Und dann noch das Viertel der (ehemaligen) Kolonien, Novas Nações im früheren Bairro dos Anjos, wo noch heute die gesamte Toponymie mit der kolonialen Vergangenheit zu tun hat. 

Wenn Sie sich für einen Ort entscheiden müssten, welcher wäre das?

 

Der Ort, den ich als Erinnerungsort auswählen würde, ist das Fährterminal Cais do Sodré, eine Art Grenze zwischen der Stadt und den Anderen, den „Anderen“ der Peripherie. Die Peripherien, die sich ausgebreitet haben und viele eingewanderte Personen aufgenommen haben, viele Menschen afrikanischer Herkunft, denen es aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich war, in der Mitte der Stadt, in der sie arbeiteten, auch zu wohnen. Es ist ein Ort der Abreise und des Ankommens, der Begegnung und des sich Verpassens, Eingang und Ausgang der Stadt. Auch weil es meine eigene Verbindung zu der Stadt ist, da auch ich vom Südufer des Tejo komme. Es ist der Ort, der für einen Großteil der Communities, die diese Stadt ausmachen, das Eingangstor zu ihr ist. Tatsächlich glaube ich, dass die Stadt Lissabon überwiegend von Lisboetas bevölkert ist, die am Südufer des Tejo wohnen. 

Halten Sie Lissabon für eine interkulturelle Stadt?

 

Ich erlebe die Stadt Lissabon interkulturell. Ich stehe mit Personen aus unterschiedlichen Kulturen, Lebens- und Gedankenwelten in Verbindung, aber ich glaube nicht, dass alle Personen die Stadt so begreifen. Ich glaube sogar, Lissabon verliert allmählich seine Interkulturalität, und die Leute leben zunehmend nebeneinander her, sind sich also in Wirklichkeit fremd. Für mich bedeutet Interkulturalität gegenseitige Interaktion, das miteinander Reden und Sein.