Millicent Adjei

© Gisela Ewe

Millicent Adjei
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 „Ich möchte nicht, dass Hamburg Menschen ehrt, die andere Menschen entrechtet und entmenschlicht haben.“

Interview: ANKE SCHWARZER, 2020/2021

Welcher Ort in Hamburg kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die koloniale Geschichte und Gegenwart denken?

 

Also ich nehme sehr stark unsere Stadtteile Wandsbek Markt und Jenfeld als Orte der kolonialen Gegenwart wahr. Es gibt dort koloniale Straßennamen wie den Dominikweg, die Wissmannstraße oder den Schimmelmannstieg und andere koloniale Orte wie das Mausoleum von Heinrich Carl Graf von Schimmelmann. In Jenfeld steht die alte Lettow-Vorbeck-Kaserne, die mit ihren Fassadenabbildungen Kolonialverbrecher ehrt.

Außerdem ist die HafenCity, der neue Stadtteil, der noch nicht zu Ende konstruiert ist, ein sehr prägnanter Ort kolonialer Kontinuitäten. In der Mönckebergstraße, einer Haupteinkaufsmeile in Hamburg, haben wir einen Kolonialwarenladen für Tee, Kaffee und Schokolade, der das Koloniale mit dem Namen Compagnie Coloniale feiert.

Könnten Sie die kolonialen Kontinuitäten in dem neuen Stadtteil HafenCity etwas genauer beschreiben?

 

Aus meiner Perspektive findet dort eine Romantisierung von Kolonialismus statt. Die neuen Straßennamen und Gebäude sind nach kolonialen Personen und Rohstoffen benannt. Wir haben dort den Columbus Tower an der Kehrwiederspitze, ein Gebäude das nach Christoph Kolumbus benannt ist sowie Plätze, die nach anderen Invasoren benannt sind – den Americo-Vespucci-Platz und den Vasco-da-Gama-Platz. 

Es sind nicht nur die Namen als solche, auch der Umgang damit wird romantisiert. Das Koloniale wird schöngeredet. Es ist hier offenbar absolut in Ordnung Menschen zu ehren, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben, und es gilt sogar als chic. Das ist meine Wahrnehmung.

Welchen Raum oder welchen Ort würden Sie wählen, um Kolonialität in der Stadt Hamburg zu markieren und kritisch zu beleuchten?

 

Es ist wichtig, dass alle diese Orte, die ich genannt habe, markiert und kritische Information darüber zugänglich gemacht werden. Der Hafen ist dafür ein wichtiger zentraler Ort und Startpunkt, denn hier sind die Waren aus der kolonialen Welt angekommen. Von hier aus können all die anderen dezentralen Orte kritisch markiert werden. 

Die Speicherstadt, die zum Weltkulturerbe zählt, hält es nicht für nötig, von all den Gräueltaten zu erzählen, die im Zusammenhang damit stehen, dass die Speicherstadt überhaupt gebaut wurde. Diese Informationen können in den Museen, an den Gebäuden oder auch online vermittelt werden. Es gibt auch die Hafengruppe und andere Initiativen, die in ihren Touren kritische Perspektiven zum Hafen und zur Speicherstadt präsentieren. Es wäre super, wenn das ein Standard wäre, dass also auch in den offiziellen Stadttouren und Hafenrundfahrten für Touristen und andere Besucher kritische Perspektiven aufgenommen werden. Das wäre mein Wunsch.

In welcher Form könnten diese anderen Informationen vermittelt werden?

 

„Ich finde es gut, Geschichte aus der Widerstandsperspektive zu erzählen.”

Was die Menschen damit machen, bleibt ihnen überlassen, aber auf jeden Fall wäre dann eine kritische Information vorhanden. 

Was ich absolut nicht möchte, ist, dass Hamburg, und weil ich auch ein Teil dieser Hamburger Gesellschaft bin, Menschen ehrt, die andere Menschen entrechtet und entmenschlicht haben. Das ist ein No-Go. Das muss weg.